»Sie haben ein gänzlich neues Shop-Modell entwickelt. Wie dürfen wir das verstehen… und wie sind sie darauf gekommen?«
»Es ist nicht auf einmal entstanden. Wir haben unser Konzept Schritt für Schritt aufgebaut. Nur so konnten wir so weit kommen, wie wir heute sind.« antwortet die stolze Ladenbesitzerin. »Am Anfang stand vielleicht die Erkenntnis, dass wir viele unserer anspruchsvollen Kundinnen verloren, weil die Ware nicht anschaulich und appetitlich genug dargeboten wurde. Also beschlossen wir, etwas außergewöhnliches zu machen und mit den traditionellen Mitteln der Schaufensterpuppe im Zusammenspiel mit großflächigen Modefotos zu brechen.«
»Mit hinreißendem Erfolg, wie sich feststellen lässt. Sie haben heute ihren einhundertsten Shop im Bundesgebiet eröffnet und der Zulauf scheint ungebremst.«
»Das Format scheint zu tragen, da gebe ich ihnen recht.«
»Nun aber zu ihren Innovationen. Was genau unterscheidet ihre Shops von anderen Ladengeschäften in denen Mode angeboten wird?«
»Unser erstes Konzept bestand in der lebenden Schaufensterpuppe.«
»Und darunter ist zu verstehen?«
»Nun, wir haben beschlossen, dass das Inserieren von Mode auf Plastik-Puppen nicht das Potential des Interesses ausschöpft, das eine Kundin unserem Angebot entgegenbringe könnte. Außerdem arbeiten viele Modeschöpfer mit der Bewegung, dem Fließen des Stoffes auf dem sich in Bewegung befindlichen Körper und dem Umschmeicheln der Haut. Eine Puppe entfaltet nicht die Wirkung, die dazu führt, dass eine Kundin sich für das Produkt interessiert. Daher suchten wir nach Wegen, die Ware in Bewegung zu zeigen, an echten Frauen.«
»In einfacheren Worten…«
»Wir wollten den Kundinnen unsere Kreationen und Stücke direkt vorführen, sie sozusagen nicht mit toten Fotos und Puppen langweilen, sondern ihr die Wirkung unserer Mode am lebendigen Objekt vorführen. Es lag nahe, unsere Verkäuferinnen mit dieser Aufgabe zu betrauen. Natürlich war es dazu erforderlich die Auswahl der als Verkäuferin in Fragen kommenden Frauen bereits im Vorfeld mit Blick auf diese Aufgabe abzustimmen.«
»Verkäuferinnen als Models?«
»Exakt. Nun ja, Models als Verkäuferinnen, wenn sie so wollen. Wir haben sehr junge und außergewöhnlich hübsche Mädchen ausgewählt, die sowohl die entsprechenden körperlichen Vorzüge aufweisen mussten, wie auch mit einem attraktiven Gesicht ausgestattet waren und haben sie mit der Aufgabe vertraut gemacht, dass sie nicht nur verkaufen, sondern auch vorführen sollten.«
»Mit Erfolg?«
»Von Anfang an. Die Mädchen fühlten sich durch die Aufwertung ihrer Aufgabe erheblich geschmeichelt. Einige empfanden es regelrecht als Karrieresprung von der Verkäuferin zum Top Model.«
»Was es aber nicht wirklich war?«
»Nein, sicher nicht. Doch es ist oft nicht entscheidend, was eine Aufgabe einem Mitarbeiter wirklich bietet, sondern wie er sich dabei fühlt. Und die Mädchen machten einen ausgezeichneten Job. Sie fügten sich mit so viel Euphorie in die Aufgabe ein, dass sie genau die Ausstrahlung entwickelten, die eine erfolgreiche Präsentation eines Modestücks benötigt. Wir verkauften die Outfits, die die Verkäuferinnen trugen nicht selten zehn- bis zwanzig mal häufiger als entsprechende Vergleichsstücke.«
»Also Erfolg auf der ganzen Linie?«
»Nein, eben nicht vollständig. Weitere Fragen blieben offen. Viele Kundinnen verließen noch immer unverrichteter Dinge das Ladengeschäft, vornehmlich weil ihre Partner und Begleiter sich während ihres Aufenthalts in unserem Ladengeschäft noch immer langweilten. Oft genug wurden unsere Kundinnen regelrecht dazu gedrängt, das Ladengeschäft zu verlassen, obwohl sie durchaus kaufwillig gewesen wären. Daran mussten wir ebenfalls etwas ändern.«
»Und was unternahmen sie dagegen?«
»Nun, zunächst zeigten unsere Marktstudien, dass auch die männlichen Begleiter die nach Aussehen und Attraktivität ausgesuchten Verkäuferinnen offenbar als Grund empfanden, den Aufenthalt in unseren Räumen bereits als positiver zu bewerten. Besonders in einigen Abteilungen zeigte sich dieser Effekt massiv.«
»Welche Abteilungen waren dies?«
»Die Dessous und Strumpfabteilungen – natürlich.«
»Auch dort…«
»Natürlich auch dort blieben wir konsequent bei unserem Konzept, die Ware auch von den Verkaufsdamen tragen und damit vorführen zu lassen. Für sie gilt: **Ausziehen und arbeiten**.«
»Sie meinen…«
»Nichts worüber man sich aufregen müsste. Die Verkäuferinnen unserer Dessous-Abteilungen tragen lediglich die Wäsche die dort feilgeboten wird. Wir unterscheiden hier bewusst _nicht_ zwischen klassischeren und eher knapper geschnittenen Stücken. Alles wird in derselben Weise präsentiert. Einige der Büstenhalter, die wir im Sortiment führen, heben die Brüste an, lassen aber die Brustwarzen frei – sie wissen, damit man unter einem Abendkleid auch gut erkennen kann, wenn sie sich versteifen. Einige unserer Mädchen sind sehr selbstbewusst und modern und sie hatten keine Einwände, diese Stücke mit nackten Brustwarzen vorzuführen.«
…