»Nun Frau …« der alte Professor eröffnete die Berichtsphase mit heiserer Stimme und blickte nochmals über seine Lesebrille auf die Titelseite um den Namen der Frau, die sich gegen ihn und seine Fragen würde verteidigen müssen nochmals zu lesen »Frau Dr.« Er sah sie direkt an und fuhr mit einer jovialen aber freundlich gemeinten Geste und einem Lächeln fort »Bitte berichten Sie uns von Ihrem Forschungsprojekt, das…« er blickte über seine Lesebrille hinweg erneut auf den Forschungsbericht, der vor ihm lag »’Emotionale Paläontologie am Beispiel von Schimpansen und Bonobos‘ betitelt ist.«
Bevor Manuela etwas darauf sagen konnte wandte er sich an einen seiner Beisitzer »Was soll das sein ‚emotionale Paläontologie‘?« Natürlich war sein Adlatus ebenso außerstande den Begriff zuzuordnen.
Mit nicht zu unterschätzender Herablassung mischte sich die rechts neben dem Professor sitzende Beisitzerin ein »Ein neuer Forschungszweig, Herr Kollege.«
»Ach ja?« wand sich der Professor zu ihr um. Nicht ohne in seinen Laut alle Geringschätzung zu legen, die er auszudrücken fähig war. Es klang eher wie ‚ach, sie wissen etwas?‘.
»Im Bereich der Anthropologie und ihrer paläontologischen Fachbereiche hat sich die Erforschung von Verwandtschaft und Entwicklungslinien durch die Nutzung der angeborene Menschliche Kenntnis über sich selbst als sehr gewinnbringend erwiesen. Sie haben sicherlich meine Veröffentlichung im letzten ‚Nature‘ gelesen?«
»Gewiss, gewiss…« bestätigte der Professor ohne auch nur im Ansatz zu wissen wovon diese Möchtegern-Wissenschaftlerin zu seiner Linken da faselte.
Die fuhr unbeirrt fort »Ein Zweig, der sich aus der experimentellen Archäologie unlängst sehr erfolgreich entwickelt hat…«
»Wir wollen keine Eulen nach Athen tragen.« unterbrach der Professor die Beisitzerin barsch, die ihm bei besten Willen zu viel wusste, oder das wenigstens glaubte. Dann wand er sich an die junge Wissenschaftlerin, die er zu prüfen hatte und bat sie, doch bitte fortzufahren.
Der Bericht begann mit der Darstellung der experimentellen Settings, die untersucht werden sollten.
»Ziel unseres Projektes, das im Verbund mit anderen Anthropologischen und Paläontologischen Forschungsprojekten finanziert und durchgeführt wird, war es, die alte Frage zu klären, ob der Mensch dem Schimpansen oder dem Bonobo näher steht.«
Der alte Professor nickte beifällig und empfahl mit einer Handbewegung, so fortzufahren.
»Im Rahmen der emotionalen Untersuchungen unserer engsten Verwandten haben mein Team und ich über sechs Monate hinweg die Gemeinsamkeiten und Unterschiede erforscht, die der Homo Sapiens mit seinen Vettern im Tierreich teilt. Dazu haben wir uns jeweils für sechs Wochen in die Rolle einer Gruppe Schimpansen und anschließend einer Rolle Bonobos begeben und ermittelt, welche dieser Rollen für uns als Gattung Homo am vertrauteren und angenehmsten waren.«
»Sie haben zwei Gruppen von Primaten untersucht?« fragte der Professor rück.
»Nein, Herr Professor. Die Methode der emotionalen Paläontologie arbeitet auf Basis des Kalküls, dass der Mensch Bedingungen, die seinem Naturzustand nahekommen intuitiv und auf der Gefühlsebene wiedererkennt und als angenehm einstuft. Die Methode arbeitet mit dem Ansatz, sich selbst in die Rolle des Primaten zu begeben, sein Verhalten zu praktizieren und eine emotionale Bewertung des Erlebnisses vorzunehmen. Der Ausschlag der Bewertung ergibt eine Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei der untersuchten Praxis um ein Ur-Menschliches Verhalten handeln kann.«
»Sie haben keine Primaten untersucht?« der alte Mann war begriffsstutziger, als Manuela gedacht hätte.
»Nein.« sie musste Schmunzeln »Nun, in gewisser Weise schon.«
»Reden sie nicht in Rätseln!« blaffte er sie mürrisch an.
»Wir haben uns selbst untersucht. Und da wir selbst Primaten sind…«
»Seien sie nicht so schlau, junge Dame.« frotzelte der alte, aber durchaus freundlich gestimmt. Er lächelte sie an. Insgeheim fand er die Aufmüpfigkeit der jungen Kollegin höchst unterhaltsam. »Also sagen sie uns nun endlich, was sie gemacht haben und was dabei herauskam!«
»Wir, mein Team und ich, also insgesamt zwölf Wissenschaftler, wir haben uns in ein Setting begeben, das die entscheidenden Kompartimente der natürlichen Lebenssituation von Schimpansen umfasste. Wir haben die Lebensweise und das Verhalten der Tiere genauestens studiert und haben sechs Wochen so gelebt.«
»Sie haben sicherlich Einschränkungen gemacht, dien wiederum die Validität ihrer Untersuchungsergebnisse einschränken.«
»Nein, das haben wir so weit wie möglich vermieden.«
»Aber werte junge Kollegin. Sie werden mir nicht erzählen wollen, sie haben mehr als einen Monat lang wie ein Rudel Affen gelebt?«
»Doch, das haben wir.« erklärte Manuela stolz.
»Dann möchte ich um die Details bitten. Das kann ich ja nicht so einfach so glauben.«
»Gerne. Wir haben uns, vier Männer und acht Frauen gemeinsam in ein kontrolliertes Natursetting begeben. Wir haben alle Kulturmerkmale entfernt…«
»Reden sie doch nicht so geschwollen daher!« polterte der alte Mann. »Reden sie normal.«
»Nun gut.« Manuela war ein wenig verunsichert. »Wir haben uns in einem Wald in der Nähe zurückgezogen. Wir haben keine technischen Hilfsmittel zugelassen, außer zum Notieren der Erkenntnisse. Kleider waren ebenfalls nicht erlaubt…«
»Sie waren alle nackt?«
»Ja. Nackt. Schimpansen haben auch keine Hosen.«
»Was haben wir hier finanziert? Ein Nudistencamp?«
Der alte Professor blicke links und rechts und wieder links zu seinen Beisitzern, die ihm gefälligst zustimmen sollten. Doch beide schwiegen nur verunsichert.
»Wir haben die Lebensweise von Schimpansen untersucht, indem wir uns in ihrer Lebenssituation versetzt haben.«
»Sie sind nackt durch den Wald gehüpft?«
»Nun, gehüpft nur soweit es die menschliche Anatomie zulässt, Herr Vorsitzender.« retournierte sie keck.
»Und sie… sie waren auch ganz nackt.« In diesem Moment fiel dem Beisitzer auf, dass Manuela ein recht dünnes Kleid trug, das ihre natürliche Körperform sehr vorteilhaft zum Ausdruck brachte.
»Ja, natürlich. Wir haben alle auf alle Kleidung verzichtet.«
Der Alte knurrte etwas und sagte dann »Haben sie dabei irgend etwas herausgefunden?«
»Ja. Der entscheidende Schlüssel zur Unterscheidung der untersuchten Arten ist das Sexualverhalten. Schimpansen haben ein dominantes Männchen, das alle Weibchen begattet. Es stellte sich heraus, dass diese Form des Sexualverhaltens den Bedürfnissen des Homo Sapiens nicht entspricht. Alle …«
…