Nackt auf der Bühne

(aus Die Uraufführung) Nun war es soweit. Der Zuschauerraum hatte sich verdunkelt, der Rote Vorhang setzte sich in Bewegung, die Scheinwerfer waren auf die Bühne gerichtet und bestrahlten sie grell und feierlich. Kaum Zeit verstrich, schon kam Susanna wild gestikulierend auf die Bühne.

Sie diskutierte mit einer zweiten Figur, die aber momentan noch nicht sichtbar war, jedoch dort hinten sich noch verbergen musste, dort woher Susanna hervorgesprungen war. Sie sprach ihren Text laut und vernehmlich, die Eltern hätten sie beinahe nicht wiedererkannt. Doch es war nicht allein ihr veränderter Ton, ihre modifizierte Gestik, was die Eltern verwirrte, es gab noch etwas, was die Eltern einander ansehen und stutzen lies. Susanna, war völlig unbekleidet auf die Bühne gestürmt. Ihre Füße, ihre Beine, ihre Brüste, ihr Hintern, sie war ganz und gar nackt. Überhaupt gab es auf der Bühne nur wenige Requisiten.

Und ihre Tochter inmitten einer beinahe leeren Bühne, ihre weiche Haut, hart angestrahlt vor dem Schwarz der Bühne, diesen dunklen Brettern des altehrwürdigen Theaters – und sie war einfach nackt.

Nun hatten die Eltern Susanna nicht prüde erzogen. Wohl hatten sie wert darauf gelegt, dass für Susanna Nacktheit kein Tabu sein würde. Sie sollte ihren Körper und ihr Wesen lieben, nicht verneinen. Doch so abrupt, so radikal, wie sie sich hier zur Schau stellte, das lies ihnen den Atem dann doch einen Moment lang stocken.

Und ehe die Eltern sich fassen konnten kam die zweite Figur auf die Bühne. Auch er war nackt und sein Penis baumelte in halbgarem Zustand vor ihm, als wäre er mitten in einem, nun, Zustand größerer Erregung aufgeschreckt worden. Auch der Penis war provokant, keine Frage. Nun, Susanna hatte ja von einer provokanten Darbietung gesprochen.

Beide Figuren disputierten lautstark. Eine Meinungsverschiedenheit, offenbar dringlicherer Art. Man stritt, zankte. Offenbar war er ihr untreu, sie darüber erbost. Er stritt es nicht ab, bestand aber auf seiner Liebe zu ihr. Sie lies nichts gelten. Benannte ihn mit Schimpf und Ordinärem. Worte, die die Eltern ihrer Tochter nicht beigebracht hatten.

So ging es hin und her, bis auf einmal, nun wurde der Kerl handgreiflich. Er packte Susanna am Arm und riss sie wutentbrannt herum. Sie schlug ihn ins Gesicht, doch er packte nur umso fester zu .»>Du bist ein Schwein« rief Susanna und er grinste mit einem Mal. Denn nun umschlang sie ihn, änderte ihre Meinung scheinbar auf einen Schlag und küsste den Mann dann leidenschaftlich auf den Mund.

Beide hielten sich nicht zurück. Susannas Zunge umgarnte die seine in seinem Mund, er packte ihren nackten Hintern mit den Händen und knetete das weiche Fleisch.


(aus Salome) »Ja. Wir wollen das Erlebnis für alle intensivieren. Sie sollen alles fühlen, auch im Publikum… und Teil dieser Intensität ist es, dass die Salome während der gesamten Drei Aufzüge nackt ist.«

»Ganz nackt…«

»Ganz und gar nackig.«

»Wow…«

»Und… wie findest du Idee. Bist du… dabei?« drängt die künstlerische Leiterin.

»Kannst du das, nackt singen?« provoziert der Regisseur.

»Klar kann ich auch _nackt_ singen!« und dann setzt sie mit trotzigem Blick hinzu »Ich singe auch in der Dusche.«

»Wirst du also bei unserem Projekt mitmachen.«

»Ich habe die Salome schon oft gesungen. Manchmal war ich am Ende des Schleiertanzes auch ganz nackt. Das machte mir nie etwas aus. Aber es wurde dann ja auch immer schnell abgeblendet.«

(sie pausiert und denkt nach)
»Ich soll die ganze Oper über ganz nackt sein?«

»…und nackt singen.«

Ein scharfer Blick der Sängerin verunsichert die künstlerische Leitern einen Moment lang.

»Ja, das wäre die Idee.« leistet der Regisseur Überzeugungsarbeit.

»Naja… das ist wirklich mal etwas Neues.«

(denkt…)
(dann scheint sie einen Entschluss zu fassen und lächelt…)